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Die Muse Urania in der Melker Stiftsbibliothek; Credit: Stift Melk ...die Herrlichkeit Gottes" (Psalm 19,2) - eine Zeitreise durch 1000 Jahre Astronomiegeschichte im Spiegel der Stiftsbibliothek Melk

Anlässlich des internationalen UNESCO Jahres der Astronomie öffnet das Kloster der Benediktiner in Melk die Tore seiner Handschriftenkammer und zeigt teilweise noch nie öffentlich ausgestellte Meisterwerke mittelalterlicher Buchkunst.

Mit der Veranstaltungsreihe "Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes..." (Psalm 19,2) will das Stift Melk mit ausgewählten astronomiegeschichtlichen Themen einen Beitrag leisten, um die Jubiläen der epochalen Errungenschaften des Teleskops in der Astronomie sowie der Kepler’schen Planetengesetze gebührend zu würdigen und ihre Bedeutung für die heutige Astronomie hervorzuheben.

 Bibliothek Stift Melk
 Fragment 229, Wolfgang von Styria; Bildrechte: Stift Melk
 Paul Beck, Georg Zotti und P. Gottfried Glaßner OSB
 Himmelsglobus; Bildrechte: Stift Melk
 Paul Beck, Georg Zotti und P. Gottfried Glaßner OSB
 Beda Venerabilis; Bildrechte: Stift Melk

Dieses Projekt besteht aus zwei Ausstellungsmodulen. Das erste mit dem Titel "Zeitreise durch 1000 Jahre Wissen um die Sterne" entführt den Besucher auf eine Zeitreise durch die spannende Geschichte der Astronomie. Beginnend mit einer der ältesten astronomisch-kalendarischen Handschriften Österreichs aus dem frühen 9. Jahrhundert über die Zeit der jungen Alma Mater Rudolphina (der heutigen Universität Wien) und das berühmte Jahr 1609 bis ins 18. Jahrhundert.  

Als modernes Gegenstück zu den mittelalterlichen Handschriften stellt die Sonderschau "Österreichs Astronomie im 21. Jahrhundert" zwei große Forschungsvorhaben mit direktem Bezug zu 2009 vor. Das Ausstellungsprojekt wird durch eine multimediale Vortragsreihe zu ausgewählten Themen dieser Ausstellung abgerundet.

In Österreich sind im Jahr der Astronomie mehr als 100 Veranstaltungen an etwa 50 verschiedenen Standorten geplant. Das Projekt ,"Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes..." ist angesichts der Tatsache, dass das Stift Melk ein erstrangiges Touristenziel ist, dessen Museum jährlich mehr als 400.000 Besucher anzieht, voraussichtlich das meistbesuchte im Rahmen der österreichischen Aktivitäten zum Internationalen Jahr der Astronomie.

Zeitreise durch 1000 Jahre Wissen um die Sterne

Anhand von Handschriften und Druckwerken der Stiftsbibliothek Melk werden die Besucher auf eine Zeitreise durch mehr als 1000 Jahre der Erforschung des Himmels geschickt. Einige der ausgestellten Werke mögen auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen, aber sie legen mit den in ihnen dokumentierten Beobachtungen und Überlegungen zum Lauf der Gestirne die Spur zu jenen Entdeckungen, die zu einem neuen Weltbild führten, das wir heute als selbstverständlich erachten. Beginnend mit Werken über die astronomische Osterrechnung aus dem frühen 9. Jahrhundert können die Besucher anhand der handschriftlichen Überlieferung zum Peuerbach’schen Kometengutachten von 1456 oder der Dokumentation der Mondfinsternis von 1457, zu deren Beobachtung und Auswertung Peuerbach gemeinsam mit Regiomontan nach Melk gekommen war, nachvollziehen, wie die Gelehrten des ausklingenden Mittelalters lernten, altbekannte Himmelsphänomene mit neuen Augen zu sehen.

Aufbruch aus dem Mittelalter...

Das 15. Jahrhundert war eine Zeit des wissenschaftlichen Aufbruchs und legte in vielen Bereichen wichtige Grundlagen für die Entdeckungen des 16. Jahrhunderts. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurden von vielen Herrschern in den europäischen Metropolen des Mittelalters Universitäten gegründet, um Ansehen und Bedeutung der Stadt zu erhöhen. Die ersten Universitätsgründungen im damaligen deutschen Sprachraum erfolgten in Prag (1348) und Wien (1365).

Das Zeitalter der Melker Reform (ab 1418) legte Wert auf eine solide Ausbildung der Mönche und förderte den wissenschaftlichen Austausch. Der Aufgeschlossenheit der Melker Mönche für neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Naturwissenschaften verdanken wir den reichen Bestand an astronomischer Literatur aus dem Umfeld der Ersten Wiener Schule der Astronomie.  Denn der Austausch zwischen dem Kloster Melk und der Universität Wien blieb nicht nur auf Literatur beschränkt und lässt den durch den Reformabt von Melk, Nikolaus Seyringer, geprägten akademischen Grundgedanken dieser Reform erkennen. Neben Seyringer, der zuvor Rektor der Universität Wien gewesen war, wurden auch junge Absolventen der Wiener Artistenfakultät als Lehrer an die seit dem 12. Jahrhundert nachweisbare Klosterschule berufen. Es sprechen viele Indizien auch für einen persönlichen Besuch von Georg von Peuerbach und seinem damals jungen Schüler Johannes Müller (Regiomontanus) in Melk im September 1457 im Gefolge des ebenfalls jugendlichen Habsburger Ladislaus Postumus. Bei dieser Gelegenheit erfolgte auch die gemeinsame Beobachtung der totalen Mondfinsternis vom 3. September, die vom barocken Astronomen Georg Mathias Bose als „Nacht der Restauration der Astronomie“ gefeiert wurde.

... in die Neuzeit

Bis ins 18. Jahrhundert können wir eine aktive Beschäftigung mit der Astronomie hinter dicken Klostermauern anhand von Randnotizen in Büchern und besonderen Anschaffungen nachvollziehen. So liegen die ersten 40 Jahrgänge der vom Wiener Universitätsprofessor Maximilian Hell herausgegebenen "Wiener Ephemeriden" in den Melker Beständen fast lückenlos vor und zeigen eindeutige Gebrauchsspuren. Ebenso finden wir eine handschriftliche Widmung von Johann Jakob Marinoni, dem Vorgänger Hells als kaiserlicher Hofmathematiker, an den Abt Thomas von Melk.

Die Tradition der Beschäftigung mit Astronomie ist auch heute noch im Stift lebendig, v.a. im Rahmen des Physiklehrplanes der Oberstufe oder in im Rahmen der Begabtenförderung.

2009 – Österreichische Astronomie im 21. Jahrhundert

In diesem Teil der Ausstellung soll die enorme Bedeutung der beiden sich 2009 jährenden Meilensteine in der Astronomie – des Teleskops sowie der Kepler’schen Planetengesetze – auf die heutige Astronomie und Raumfahrt illustriert werden, und zwar anhand zweier für Österreich bedeutender Forschungsvorhaben, die ebenfalls einen starken Bezug zu 2009 haben.

Mit dem im Laufe der letzten 400 Jahre stetig weiter entwickelten astronomischen Teleskop können wir heute weiter als jemals zuvor in die Tiefen des Alls hinausblicken, wie uns die Sonderausstellung der ESO mit ihren großformatigen Posterpanelen eindrucksvoll vor Augen führt. 2009 ist für die österreichischen Astronomen deswegen auch ein Grund zum Feiern, da dies das erste Jahr der Vollmitgliedschaft bei der Europäischen Südsternwarte ist. Um diesen Beitritt hatten sich die österreichischen Astronomen annähernd 3 Jahrzehnte lang bemüht.

Auch die beiden Kleinsatelliten UniBRITE und BRITE-Austria, deren 1:1 Modell in dieser Sonderschau ausgestellt ist und die 2009 als die ersten österreichischen Satelliten in den Orbit gebracht werden, beherbergen jeweils ein Teleskop. Mit diesem sollen die Helligkeiten der 500 hellsten Sterne und ihre Helligkeitsvariationen gemessen werden. Mithilfe asteroseismologischer Techniken können Rückschlüsse über den Aufbau und die Entwicklungen der Sterne gezogen werden.  Die Erdumlaufbahn jeden Satelliten lässt sich unter anderem mit Hilfe der Kepler’schen Gesetze berechnen, die ebenfalls seit 400 Jahren in der Wissenschaft Anwendung finden.

Astronomisches Kolloquium 2009 

In einer Reihe von multimedialen Vorträgen und mit einer astronomischen Beobachtung werden ausgewählte Aspekte der in der Bibliothek ausgestellten Handschriften und Drucke himmelskundlich Interessierten näher gebracht. Nicht das Aufzählen von Einzelereignissen, sondern das historische Umfeld, in dem die ausgestellten Werke entstanden sind, steht im Mittelpunkt dieser Betrachtungen.
Die Abstracts zu diesen Vorträgen können auf der Seite www.stiftmelk.at/astronomie nachgelesen werden.

Donnerstag, 30. April 2009, 18.30 Uhr im
(Ersatztermin wird bei Bedarf auf der Homepage bekannt gegeben)
Beobachtungsabend, Treffpunkt bei Stiftspforte
"Sternbeobachtung mit freiem Auge und dem Teleskop"

Montag, 31. März 2009, 17.30, NÖ Landesbibliothek St. Pölten
Vortragsabend: Ein astronomischer Bücherbestand in der Stiftsbibliothek
"Arzt und Hobby-Astronom in stürmischen Zeiten – Der Büchernachlass des Dr. Johannes Häringshauser (1603-1642) in der Melker Stiftsbibliothek"

Donnerstag, 18. Juni 2009, 19.30 im Dietmayrsaal
Vortragsabend: Der Himmel als Kalender – Kultplätze mit astronomischer Orientierung: "Die Sterne des Heiligen Koloman" &  "Die astronomische Orientierung jungsteinzeitlicher Kreisgrabenlagen in Niederösterreich"

Donnerstag, 10. September 2009, 19.30 im Dietmayrsaal
Vortragsabend: Ein astronomischer Bücherbestand in der Stiftsbibliothek
"Arzt und Hobby-Astronom in stürmischen Zeiten – Der Büchernachlass des Dr. Johannes Häringshauser (1603-1642) in der Melker Stiftsbibliothek"

Donnerstag, 17. Dezember 2009: 19.30 im Dietmayrsaal
Vortragsabend und Reflexion des internationalen Jahres der Astronomie
"Gedanken zum Stern von Bethlehem – eine theologische, historische und astronomische Betrachtung von Matthäus 21-12?"

Ut In Omnibus Glorificetur Deus 

Nicht nur die ausgestellten Werke werden die Besucher in ihren Bann ziehen, sondern auch der Rahmen, in dem diese Ausstellung stattfindet. Die den Besuchern zugänglichen barocken Räumlichkeiten der Melker Stiftsbibliothek werden von farbenprächtigen Fresken von Paul Troger geschmückt, die im Hauptsaal die Theologie als Erste Wissenschaft, umgeben von den vier Kardinaltugenden und den Wissenschaften und Künsten (unter ihnen auch die Astronomie) zeigen, im Nebensaal die Weisheit. Die ikonographische Gestaltung des großen Deckenfreskos unterstreicht, dass jeglicher menschlicher Forscherdrang ethischen Prinzipien unterworfen ist, d.h. der Mensch nicht alles tun darf, was er tun kann. Die Ordnung der Bücher orientiert sich an den vier Fakultäten Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie (allegorische Figuren an den Türen) und ist im Hauptgeschoß, wo die großformatigen Bücher stehen, im Großen und Ganzen original aus der Barockzeit (Aufstellung der Bücher ab 1735) erhalten. Die astronomischen Bücher sind dem Regal neben der Allegorie der Medizin zugeordnet, das die naturwissenschaftliche Sammlung der Barockbibliothek enthält. Das herausragende Ausstattungsstück des Hauptsaales die beiden Globen, ein Himmels- und ein Erdglobus, aus der Werkstatt des Vincenzo Coronelli.

Die in der Ausstellung gezeigte Astrolab-Handschrift des P. Bonifaz Gallner (ca. 1705) lässt die Erkundung der Naturphänomene und die Berechnung der Bahnen der Gestirne in das große Lob des Schöpfers einmünden, wie es in Psalm 19,2 formuliert ist: „Die Himmel verkünden die Herrlichkeit Gottes...“ (Psalm 19,2) Die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften steht nicht im Widerspruch zu jenem Ziel, dem sich die Benediktiner von Melk seit der Gründung des Klosters im Jahr 1089 verpflichtet wissen: „Dass in allem Gott verherrlicht werde“ – „Ut in omnibus glorificetur deus"

Paul Beck 1, Georg Zotti2, und P. Gottfried Glaßner OSB3
1 Institut für Astronomie der Universität Wien
2 Interdisziplinäre Forschungsplattform Archäologie, Universität WienD“D
3 Stift Melk, Bibliothek und Archiv