Peggy Whitson; Credit: NovostiDie Raumfahrt ist wieder um eine Erstleistung reicher. Als erster Kosmonaut der Geschichte musste heute morgen Yuri Malechenko feststellen, dass nach seiner Landung mit der Raumkapsel Sojus TMA-11 weit und breit niemand da war, um ihn und seine beiden Crew-Kameradinnen Peggy Whitson und Yi So-yeon abzuholen. Auch über den Bordfunk meldete sich niemand. So bleib Malenchenko keine andere Wahl, als zum Handy zu greifen und den Bergungskräften Bescheid zu geben, dass er nunmehr wieder auf der Erde zurück sei und doch bitte abgeholt werden möchte.

Doch jetzt mal ohne Ironie: Es waren bange 45 Minuten heute morgen, in denen offensichtlich niemand so recht wusste, wo Sojus TMA-11 und ihre Crew abgeblieben waren. 

Peggy Whitson, Yuri Malentchenko und Yi So-yeon hatten dreieinhalb Stunden vorher von der ISS abgelegt. 45 Minuten vor der Landung leiteten sie die Bremszündung ein, die sie zur Erde zurückbringen sollte. 

 Abschied von der ISS; Credit: NASA TV
 Sojus TMA11 dockt ab; Credit: NASA TV
 Landung der Sojus TMA11; Credit: Novosti
 Yi So-Yeon; Credit: Novosti
 Lindsey und Suffredini; Credit: Yahoo
 

30 Minuten vor der Landung meldete sich die Crew ab. Ein normaler Vorgang, denn beim Wiedereintritt werden die Luftschichten um das Raumfahrzeug so stark ionisiert, dass kein Sprechfunkverkehr mehr möglich ist. Die Telemetrie die bis dahin in das Kontrollzentrum nach Moskau übermittelt wurde, zeigte keinerlei Anomalien. Gut 10 Minuten vor der Landung, in einer Höhe von noch mehr als 20 Kilometern hätte der Sprechfunkverkehr wieder aufgenommen werden sollen. Über dem vorgesehenen Landegebiet kreisten bereits die Hubschrauber und die Besatzungen hielten Ausschau nach dem rot-weißen Landefallschirm der Sojus. 

Doch es war nichts zu sehen. Die Minuten vergingen. Keine Meldung von der Sojus. Der berechnete Landezeitpunkt kam und ging vorbei. Die Kommentare des NASA-Sprechers dünnten langsam aus und blieben schließlich ganz weg. Die Beobachter fühlten sich an die Situation bei der Columbia-Katastrophe erinnert. Auch aus Moskau kam keine weitere Meldung mehr. Bis dahin hatte eine vollständig überforderte und ganz offensichtlich komplett fachfremde Dolmetscherin den russischen Kommentar in ein sinnloses Englisch übertragen. Jedes Internet- Übersetzungsprogramm hätte eine bessere Leistung vollbracht.

Etwa fünfzehn Minuten nach dem berechneten Landezeitpunkt - es gab weiterhin keine Meldung von der Crew - kam die Meldung, dass es wohl einen "Overshoot" gegeben hätte, ein "überschießen" der Landezone um eine Distanz von 40-60 Kilometern. Die Rettungskräfte machten sich auf den Weg nach Osten. Schon kurz danach stand aber eine Auswertung von Radardaten zur Verfügung, die ergaben, dass Sojus TMA 11 einen so genannten "ballistischen Wiedereintritt" erlebt hatte. Das deutete darauf hin, dass die Landung "zu kurz" war und die Kapsel das vorgesehene Landegebiet nicht erreicht haben würde. 

Der "ballistische Wiedereintritt" ist der Sicherheitsmodus der Sojus bei der Landung. Beinhart für die Crew und entsprechend gefürchtet. Immer dann, wenn es Probleme mit der Steuerungssoftware gibt, die den normalen "aerodynamischen Wiedereintritt" steuert (bei dem ein Andruck von 3,5 g nicht überschritten wird), schaltet die Sojus automatisch in den ballistischen Modus. 

In diesem Landemodus ist der Abstieg sehr steil und es werden Andruckbelastungen von mehr als 8 g für mehr als 30 Sekunden erreicht. Das ist an der absoluten physischen Grenze für einen Astronauten, der 192 Tage lang in Schwerelosigkeit zugebracht hat. Nur mit einer speziellen Pressatmung ist es möglich, bei solchen Belastungen nicht das Bewusstsein zu verlieren. Kampfpiloten beispielsweise müssen in ihrem Training eine solche Belastung für 30 Sekunden aushalten ohne das Bewusstsein zu verlieren. Gut trainiert und ausgeruht und In einem Anti-G-Anzug, den die Kosmonauten natürlich nicht tragen. 

35 Minuten nach dem berechneten Landezeitpunkt meldete sich Yuri Malenchenko über sein Satellitentelefon bei den Rettungskräften. Er befand sich noch in der Kapsel und hatte keine Ahnung wo er war. Er konnte aber melden, dass es - wie vermutet - zu einem ballistischen Wiedereintritt gekommen war. Über das Telefon ließ sich die Position ermitteln. 40 Minuten nach der Landung war sie klar, und da konnten die Suchhubschrauber auch die schwachen Funksignale der Landebake aufnehmen. 

Das Satellitentelefon übrigens gehört seit dem Jahr 2003 zur Standardausrüstung der Sojus-Crews, nachdem es bei der Landung von Sojus TMA-1 ebenfalls zu einem ballistischen Wiedereintritt kam und die Crew mehrere Stunden nach der Landung ganz auf sich alleine gestellt war.  

Sojus TMA-12 war etwa 410 Kilometer vor dem Ziel gelandet. Wenig später erreichte auch schon der erste Hubschrauber die Landestelle. Die Suchstrategie der Russen funktioniert so, dass entlang des Ground-Track der Kapsel mehrere Hubschrauber stationiert sind. Dies ist eine Lektion aus dem Sojus TMA-1 Vorfall, als die ersten Hubschrauber erst nach über drei Stunden an der Landestelle eintrafen (und zwischendurch auch noch einmal auftanken mussten). 

Auch bei Sojus TMA-10 war die Landung nicht einwandfrei verlaufen, doch war hier die Zielabweichung nicht ganz so groß gewesen. 

Trotz der Belastungen zeigte sich die Crew in ausgezeichneter Verfassung, als die Bergungskräfte eintrafen und den Kosmonauten aus der Kapsel halfen. 

Das untere Bild zeigt den ratlosen Chefastronauten der NASA, Dave Lindsey, zusammen mit Mike Suffredini, dem Manager des ISS-Programmes, wie sie über eine Karte gebeugt, den Landeort von Sojus TMA-11 auszumachen versuchen.

Astra