Der von einer langen Pannenserie geplagte Starliner von Boeing brach am 19. Mai, Jahre nach seinem geplanten Indienststellungsdatum, zum entscheidenden Testflug auf. Gelingt diese unbemannte Mission, dann steht Einsätzen mit einer Crew an Bord etwa ab Spätherbst dieses Jahres nichts mehr im Wege. Zunächst aber muss das Vehikel seine Einsatzreife beweisen.

Der Start zur Mission „OFT 2“ (für: Orbital Flight Test 2) gelang perfekt. Er war vor neun Monaten schon einmal angesetzt gewesen, wurde damals aber in buchstäblich letzter Minute wegen eines Problems mit den Ventilen des Treibstoff-Fördersystems des Starliners abgesagt. Der Flug ist eine Wiederholung des Orbital Flight Test 1 (OFT 1), der 2019 scheiterte, nachdem eine Reihe von Problemen mit dem Missions-Timer, der Kommunikationsausrüstung und der Landesoftware das Anlegen an der ISS verhindert und beinahe noch zu einem Verlust der Kapsel geführt hatten. Nach dem ungenügend verlaufenen OFT 1-Testflug legten NASA und Boeing fest, dass diese Testmission unter der Bezeichnung OFT 2 wiederholt werden sollte.

Ursprünglich war geplant gewesen, dass Starliner und Crew Dragon ab 2019 abwechselnd Mannschaftstransporte zur ISS durchführen. In der Praxis macht dies jedoch seither der SpaceX Crew Dragon alleine und hat bislang schon sieben Einsätze entweder abgeschlossen oder bereits begonnen.

Die Atlas 5-Trägerrakete mit dem Starliner an der Spitze startete pünktlich um 0:54 Uhr mitteleuropäischer Zeit am Startkomplex 41 der Cape Canaveral Space Force Station. 12 Minuten nach dem Verlassen der Startrampe war eine suborbitale Übergangsbahn erreicht, 14 Minuten und 50 Sekunden nach dem Liftoff gab die Centaur-Oberstufe den Starliner wie geplant frei. Auf dieser Bahn wäre das Raumfahrzeug nach etwa 45 Minuten wieder in die oberen Schichten der Erdatmosphäre eingetreten. Um eine Umlaufbahn zu erreichen musste der Starliner deshalb 31 Minuten nach Missionsbeginn ein Orbit-Insertion-Brennmanöver durchführen.

Die für diesen Start verwendete Variante des Trägers trägt die Bezeichnung N22. Sie ist mit zwei zusätzlichen Feststoffboostern ausgestattet. Die Centaur-Oberstufe ist mit zwei (statt normalerweise einem) RL-10-Triebwerken ausgestattet. Sie fliegt ohne Nutzlastverkleidung, verfügt aber über zwei aerodynamische Abdeckungen, die noch in der Aufstiegsphase abgeworfen werden. Eine schützt die Docking-Vorrichtung an der Spitze der Kapsel, bei der anderen handelt es sich um eine aerodynamische Verkleidung unterhalb der Kapsel.

Auch dieses Mal verläuft die Mission nicht vollständig nach Plan, wenngleich nicht so unglücklich wie die OFT 1-Mission. Es kam bereits zu Ausfällen von Orbit-Manövrier- und Lageregelungstriebwerken und auch das Thermalkontrollsystem scheint nicht einwandfrei zu funktionieren. Dennoch gelang das Anlegemanöver an das Harmony-Modul der ISS ohne größere Schwierigkeiten. Die in das System eingebauten Redundanzen sind derzeit noch groß genug, um diese Ausfälle kompensieren zu können.

Bild: Der Starliner wird zur Startanlage 41 gebracht und dort mit der Trägerrakete integriert. Quelle: ULA